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Mein Kind kann kein K sprechen

Hat mein Kind eine Sprachstörung? Braucht mein Kind eine logopädische Behandlung?
Mein Kind ist schon fast 5 Jahre und sagt immer „Topf“ statt Kopf und „Tinderdarten“ anstatt Kindergarten – ist eine logopädische Therapie notwendig?

Diese und andere Fragen stellen Sie sich vielleicht als Eltern Ihres Kindes und sind durch zunehmende unterschiedliche Informationen verunsichert. In der ersten Einschulungsuntersuchung zwischen 4 und 5 Jahren wird den Eltern gesagt, dass das Kind zum Logopäden soll.

An anderer Stelle wird ihnen gesagt, das kann noch warten. Was stimmt nun?
Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten, da sich jedes Kind unabhängig von den gängigen Empfehlungen entwickelt. Und auch nicht zeitgleich mit dem Kindergartenfreund oder dem Nachbarskind. Nicht jedes Kind braucht dann gleich den Gang zum Logopäden.

Aufgrund meiner nun mehr als 20-jährigen Berufserfahrung möchten ich heute dazu Stellung nehmen, da wir sehr oft die Erfahrung machen, dass Kinder mit Artikulationsproblemen erst kommen, wenn sie beispielsweise in die Schule kommen. Die meisten Kinder brauchen in diesem Alter sehr lange, die damit verbundenen Schwierigkeiten zu beheben. Das liegt unter anderem an den zeitlichen Fenstern, in denen die Entwicklung stattfindet. Das Kind hört und differenziert schon im Alter von einem Jahr (auch schon vorher) die Laute seiner Muttersprache. Bis zum Alter von 3-4 Jahren können viele Kinder alle Laute.

In dieser Zeit sind die Kinder offen, diese Laute zu erlernen. Die Laute SCH und R lernen manche etwas später, aber im Alter von 4 Jahren sind auch meist diese Laute da. Wenn sich die allgemeine Entwicklung (vor allem auch Bewegungsentwicklung) verzögert, kann sich auch die Sprachentwicklung verzögern und die Laute werden auf physiologische Weise auch noch später gelernt. Darum ist es uns immer wichtig, das Kind ganzheitlich zu betrachten. Kann es schon über einen Balken balancieren, sicher rückwärtsgehen oder motorische Koordinationsübungen nachahmen?

Wenn ein Kind beispielsweise mit 4,5 Jahren den Laut K nicht spricht, hören wir immer wieder von vielen, dass sich das bestimmt auswächst, was auch bei manchen tatsächlich der Fall ist. Leider viel zu selten. Ich empfehle in diesem Alter eine Untersuchung bei einer Logopädin, die genau herausfinden kann, warum das Kind diesen Laut nicht sprechen kann. Damit verbunden ist meist, dass diese Kinder auch kein G und kein NG sprechen. Aus Gold wird „Dold“ und aus Ring wird „Rin“. Die Logopädin untersucht genau, ob das Kind aus motorischen, das heißt artikulatorischen Gründen diese Laute nicht bilden kann oder ob das Kind nicht gelernt hat, den Unterschied zwischen K und T zu hören und sie deshalb nicht gelernt hat, zu bilden. Aus diesem Grund bieten wir auch eine Frühdiagnostik an, in der auch vor allem die Eltern unterstützt und beraten werden.

Manchmal ist es auch eine Kombination aus beiden. Die Hörverarbeitung ist enorm wichtig für die Sprachentwicklung und sollte dem Alter entsprechend ausgebildet sein. Manchmal liegt die fehlende K-Bildung noch an Wahrnehmungsschwächen der Taktil-Kinästhetik oder des Raum-Lage-Empfindens – das heißt, das Kind hat Schwierigkeiten den Laut zu erspüren oder den Ort zu finden, an dem er gebildet wird. Manchmal hat das Kind aber auch eine extrem niedrige Ganzkörperspannung (Hypotonus) und kann aufgrund der verminderten Spannung der Bauchmuskulatur oder des Zwerchfells die benötigte Spannung für den Laut K nicht aufbringen und spricht dann an dessen Stelle den ähnlichsten Laut – das T. Und gewöhnt sich dann dran.

Das heißt, auch wenn das Kind älter wird und sich seine Wahrnehmung (Taktil-Kinästhetik, Raum-Lage, Hörwahrnehmung) und seine Körperspannung durch die weitere Entwicklung verbessert, spricht es aus Gewohnheit die Laute weiterhin fehlerhaft, obwohl es vielleicht in der Lage wäre, die Laute richtig auszusprechen. Dadurch kann sich eine logopädische Therapie dann verlängern, weil das fehlerhafte Muster schon gut und lange eingeübt, also engrammiert wurde.

Die Schlittenbahn – oder was Engrammierung bedeutet und wie wichtig sie für die korrekte Lautbildung ist

Warum das so ist, lässt sich an einem ganz einfachen Beispiel erklären: Den Weg, den das Gehirn gut kennt (gelernt hat), lässt sich am leichtesten gehen. Das verhält sich ungefähr so wie beim Schlittenfahren: Wenn ich oben am Hang stehe und eine vorgebahnte Schneebahn von vielen Schlittenfahrten habe, dann brauche ich nur den Schlitten hinzustellen und habe unter Umständen sogar noch Mühe, dass er nicht schon alleine losfährt. Das ist dann die Gewohnheit des verwechselten Lautes und aus Keller wird „Teller“.

Das Wort wurde schon ausgesprochen, die bereits gebahnte und geübte Schlittenbahn wurde ein weiteres Mal gefestigt. Wenn das Kind in der Therapie spielerisch den neuen Laut lernt und einübt, dann ist das wie ein Umprogrammieren, neue Engramme, neue Nervenverknüpfungen müssen angelegt werden. Um beim Beispiel des Schlittenfahrens zu bleiben: Ich stehe mit meinem Schlitten wieder oben am Hang, nehme meinen Schlitten und setze ihn auf eine andere Seite des Hügels mit viel Neuschnee. Ich werde Mühe haben, mit meinem Schlitten überhaupt hinunter zu kommen, wahrscheinlich muss ich sogar etwas nachhelfen, dass es überhaupt vorwärts geht.

In der Logopädie ist das das Erarbeiten des neuen Lautes im Bereich der verschiedenen Wahrnehmungssystemen und der motorischen Leistung, diesen neuen Laut bilden zu können. Am Anfang ist es etwas ungewohnt und mühsam und dann, je öfter ich das gemacht habe, desto leichter und schneller geht es. Zu Beginn noch mit viel Bedacht, Langsamkeit, dann nach und nach leichter schneller und völlig problemlos. Wenn ich also meine Schlittenbahn (neue Nervenbahnen im Gehirn) gut vorbahne, geht es bald auch schon von ganz alleine.

Und diese Vorbahnen braucht oft Hilfe und ist etwas komplex aufgrund der vielen Bereiche der Sprachentwicklung, daher auch meine Empfehlung, sich bei der Logopädin vorzustellen. Zudem kann sich auch ein ausgeprägtes Störungsbewusstsein entwickeln, wenn das Kind nach und nach immer mehr bemerkt, dass es bestimmte Laute anders ausspricht. Auch das häusliche Üben im Alltag ist enorm wichtig, denn in einer Woche, in der das Kind kein einziges Mal den neuen Laut probiert oder geübt hat, kann es viel Neuschnee geben, und die in der Therapie erarbeitete „Schlittenbahn“ ist schnell wieder zugeschneit. Das Kind verwendet in diesem Fall die oft verwendete leichte „Schlittenbahn“ des fehlerhaften Lautes, also immer wieder „Tinderdarten“ und „dedanen“ statt gegangen.
Dazu muss man wissen, dass das bereits Erlernte im Gehirn nicht einfach „wegzutrainieren“ ist, sondern nur das Neue vermehrt benutzt werden muss, um das andere (fehlerhafte) in den Hintergund zu schicken, also dass die alte, fehlerhafte Schlittenbahn so nach und nach zugeschneit wird.

Das Engrammieren ist also eine dauerhafte Informationsspeicherung im Langzeitgedächtnis durch ständiges Üben und Wiederholen. Diese in “eingeschliffenen Bahnen” gespeicherten Informationen sind später abrufbar und somit die physiologische Grundlage des Gedächtnisses. Dass das schneller und effizienter mit Spaß, Freude und der entsprechenden Motivation geht, wissen die Hirnforscher schon längst.

Grund dafür sind neurobiologische Vorgänge, die Forscher seit langem nachgewiesen haben. Nur durch die Aktivierung emotionaler Zentren werden bestimmte Botenstoffe freigesetzt, dadurch wird das Gelernte in Form von neuaufgebauten Netzwerken verankert. „Die neuroplastischen Botenstoffe, die diese Umbauprozesse in Gang bringen, wirken wie Dünger im Hirn“, betont der Neurobiologe Gerald Hüther.

Die Bewegung und all die zugehörigen Wahrnehmungsbereiche nehmen bei uns in der Praxis LOGOART einen großen Stellenwert ein. Einfach, weil wir damit schneller und lustiger zum Ziel kommen. Viele unserer kleinen Patienten können schon nach den ersten Stunden einen Erfolg verzeichnen und gehen sichtlich positiv und mit einer kräftigen Portion Selbstbewusstsein aus unserer Praxis. Weil Sprache lebendig machen kann. Weil Sprache Bewusstheit fördert. Weil körperliche Erfahrungen stark machen können. Weil sich das Kind besser spüren kann. Weil das Kind etwas Neues gelernt hat.

Weil das Kind in seinen Bedürfnissen wahrgenommen und verstanden wird.

Die Kunst des Therapeuten ist es, das lernende Kind in seiner Neugier zu bestärken – das ist die Grundvoraussetzung für die Motivation, was wiederum unabdingbar für eine positives Lernen ist. Die Kinder haben bei uns in der Praxis LOGOART alle viel Spaß beim Einschleifen dieser neuen Bahnen und wenn wir dann hören wie sie im Wartezimmer gut gelaunt sagen: „Mama, wir haben heute nichts gemacht, nur gespielt“ dann haben wir unseren Job gut gemacht.

Eva Büchel

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